Chronologie der Krise

Wie aus einer Immobilienblase eine Weltwirtschaftskrise wurde…

Deutschland: „Das Wasser steht uns bis zum Hals“…

Posted by hw71 - 21. Januar 2010


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20.01.2010 , aktualisiert 20.01.2010 13:06 Uhr

Bundesbank-Warnung: „Deutschland steht das Wasser bis zum Hals“

Die Bundesbank hat Schwarz-Gelb in der Steuerdebatte vor falschen Erwartungen gewarnt. Er halte es für „mehr als verwegen“, wenn, wie das Äußerungen der Liberalen nahgelegen, die Regierung bei Steuersenkungen auf eine Selbstfinanzierung setze, sagte Bundesbank-Vorstand Fabritius. Vielmehr sei eine schnelle Haushaltskonsolidierung notwendig.

HB FRANKFURT/LEIPZIG. „Eine der Hauptaufgaben der Wirtschaftspolitik in den kommenden Jahren ist, die öffentlichen Haushalte wieder ins Lot zu bringen. Damit kann und muss spätestens nächstes Jahr begonnen werden“, sagte Bundesbank-Vorstandsmitglied Hans Georg Fabritius am Mittwoch in Leipzig. Finanzpolitisch stehe Deutschland wegen der Belastungen der globalen Wirtschaftskrise „das Wasser bis zum Hals“. „Dass viele andere Länder noch tiefer im Wasser stehen, ist zwar richtig, macht die Lage aber keinen Deut besser“.

Dessen ungeachtet sieht die Ratingagentur Moody’s die Spitzennote für Deutschland nicht gefährdet. Das „Aaa“-Rating stütze sich auf die „sehr große Wirtschafts- und Finanzkraft des Landes“, sagte Moody’s zur Begründung. Obwohl Deutschland mit der globalen Rezession zu kämpfen habe, sei eine Herabstufung sehr unwahrscheinlich. „Zu Beginn der Krise war Deutschland in einer relativ soliden finanziellen Verfassung mit einem ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt“, sagte Moody’s-Analyst Alexander Kockerbeck. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt könne schneller zu ihrer alten Wachstumsstärke zurückfinden, als andere Länder.

Die Bundesregierung will sich in diesem Jahr 85,8 Mrd. Euro von Banken leihen. Das ist mehr als das Doppelte des bisherigen Schuldenrekords von 1996. Mit den Krediten sollen die wegen der Krise wegbrechenden Steuereinnahmen und die Zusatzausgaben für den Arbeitsmarkt und die Konjunkturprogramme aufgefangen werden. Insgesamt sind in diesem Jahr Ausgaben von 325,4 Mrd. Euro geplant. Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands fiel im vergangenen Jahr um fünf Prozent – so stark wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Für 2010 rechnet die Regierung wieder mit einem Zuwachs von 1,5 Prozent. Die Arbeitslosigkeit nach Einschätzung von Experten jedoch deutlich steigen. Der Bund geht Regierungskreisen zufolge für 2010 im Jahresschnitt von rund 3,7 Mio. Arbeitslosen aus – das wären etwa 300 000 mehr als im Rezessionsjahr 2009.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte aber in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2010 gesagt, Deutschland stehe beim Staatsdefizit verglichen mit anderen Ländern gut da. Bundesbanker Fabritius betonte daher, mit einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte müsse spätestens 2011 begonnen werden. Mit Blick auf konkrete Maßnahmen sagte der Bundesbanker, die Konsolidierungsmaßnahmen sollten möglichst wachstumsfreundlich ausfallen. „Unter diesem Gesichtspunkt ist eine ausgabenseitige Konsolidierung vorzuziehen.“ Demgegenüber verringere eine Erhöhung der Abgabenlast die Wachstumsperspektiven. „Sie sollte nur erwogen werden, wenn auf der Ausgabenseite alle Spielräume ausgeschöpft sind.“

Weitere Steuersenkungen, wie derzeit von der Regierung geplant, erhöhten den Konsolidierungsbedarf zusätzlich, warnte Fabritius. „Zwar können Steuersenkungen für sich genommen ebenfalls das Wachstum anregen.“ Es wäre aber „mehr als verwegen“, auf eine auch nur weitgehende Selbstfinanzierung niedrigerer Steuern zu setzen. Vielmehr müsste eine Steuersenkung durch noch weiterreichende Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanziert werden. „Gegenwärtig sieht es aber alles andere als danach aus.

Die Konjunkturperspektiven für Deutschland sehen überdies nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht wirklich rosig aus. Die Wirtschaft der Euro-Zone wird demnach das Tempo ihrer Erholung von der globalen Krise in den kommenden Monaten nicht halten können. „Es ist wahrscheinlich, dass das erste Halbjahr 2010 etwas verhaltenen verläuft als das zweite Halbjahr 2009“, sagte EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark. „Es dürfte sich dann aber nicht um Anzeichen eines erneuten Abschwungs handeln, sondern eher um die Charakteristika einer graduellen und „holprigen‘ wirtschaftlichen Erholung in den nächsten Quartalen.“

„Die deutsche Industrie befindet sich in einer guten Ausgangsposition, um von einer weltweiten Erholung zu profitieren“, betonte dagegen Moody’s-Analyst Kockerbeck. Hürden auf dem Weg der Besserung seien aber der erwartete Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie die notwendige Sanierung der Bankbilanzen. „Die Anpassungen in Folge der Krise werden hohe Kosten verursachen“, warnte er. Die finanzielle Anpassungsfähigkeit des Landes werde deshalb zusehends auf die Probe gestellt.

Die Wirtschaftslage in den Ländern Mittel- und Osteuropas gestaltet sich nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny 2010 dagegen bereits wieder freundlicher. „So wie wir das jetzt sehen, werden viele Länder in Osteuropa bereits 2010 höhere Wachstumsraten aufweisen als Westeuropa“, sagte Nowotny bei der Euromoney CEE-Bankenkonferenz in Wien. Dabei gebe es aber zwischen den einzelnen Ländern große Unterschiede in der Wachstumsdynamik.

Generell rechnet Nowotny, der auch Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) ist, für Osteuropa in 2010 und 2011 mit deutlich besseren Wirtschaftsperspektiven. Erneut warnte er jedoch vor Fremdwährungskrediten und betonte, dass es eine der ersten Aufgaben einer neuen EU-Bankenaufsicht sein sollte, dieses Thema anzugehen.

EZB-Chefvolkswirt Stark redete indessen dem EU-Defizitsünder Griechenland erneut ins Gewissen. Das Land wisse, „dass es seine Hausaufgaben nachholen muss“, sagte das deutsche Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank. Stark bekräftigte frühere Aussagen von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, dass niemand die Absicht habe, wegen der schwierigen Haushaltslage Griechenlands die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu ändern. Oberste Priorität der Regierung in Athen müsse eine „grundsätzliche Umorientierung der Wirtschaftspolitik“ und ein umfassendes Programm zur Konsolidierung der Staatsfinanzen sein.

Im Herbst hatte die neue sozialistische Regierung in Athen das Defizit für 2009 auf 12,7 Prozent revidiert. Die Rating-Agenturen stuften daraufhin die Bonität des Landes herab, womit sich neue Kredite verteuern. Das Mittelmeerland will nun binnen drei Jahren die desolaten Staatsfinanzen wieder in Ordnung bringen. Die EU-Obergrenze für das Defizit von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) soll demnach 2012 wieder eingehalten werden.

Mit Blick auf das hochverschuldete Griechenland warnte Bundesbanker Fabritius vor gefährlichen Nebenwirkungen einer gemeinsamen europäischen Rettung des Pleitestaats für die Stabilität des Euro. „Gelingt es dort nicht, die Haushaltsprobleme rasch in den Griff zu bekommen, wird die Diskussion um einen europäischen Bail-out an Vehemenz gewinnen und schließlich eine Eigendynamik entfalten. Der am Ende resultierende Präzedenzfall würde aber die Legitimation des Euro in den übrigen Ländern massiv beschädigen und so an den Grundfesten der Währungsunion rütteln“, sagte das Bundesbank-Vorstandsmitglied.

Die Probleme in Griechenland und in Dubai zeigten, dass die globale Wirtschaft- und Finanzkrise noch keineswegs überwunden seien, sagte Fabritius. Auch der deutsche Finanzsektor habe noch längst nicht alle Probleme hinter sich und die Stabilität der Finanzmärkte sei „noch nicht endgültig gesichert“. So seien einzelne Institute „durchaus noch nicht aus dem Gröbsten heraus“. In „Einzelfällen“ könne es sogar nochmals „Stützungsbedarf“ geben, warnte der Notenbanker. Die Bundesbank geht davon aus, dass sich in den Bilanzen der deutschen Banken noch Belastungen von etwa 75 Mrd. Euro befinden, hauptsächlich in Form fauler Kredite.

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